Ausstellung

Ines Doujak: Follow The Leader/ Not Dressed for Conquering

Ausstellung und Boutique
20.3.2015 bis 28.6.2015 | Johann Jacobs Museum

Follow the Leader/ Seguid Vuestro Jefe ist eine Installation der Künstlerin Ines Doujak. Eine Armada von Kriegsschiffen schwebt im Raum. Die Schiffsmodelle, gesägt aus Plexiglas, sind auf der einen Seite mit schwarzem Schafsfell beklebt. Die andere Seite ziert eine mehrschichtige fotografische Bildmontage.

Unter anderem stellen hier Skinheads Schlüsselszenen aus Benito Cereno nach – jener 1855 verfassten Erzählung Herman Melvilles, die als Pamphlet gegen die Sklaverei ebenso wie als Parabel der Machtablösung der „alten Welt“ durch die USA gelesen werden kann. Für die ungebrochene, im eigentlichen Sinne moderne Wirkungsgeschichte der Erzählung ist zudem entscheidend, mit welcher Virtuosität sie die Konturen von Machtbeziehungen zu verwischen weiß: aus der Uneindeutigkeit zieht sie ihre ästhetische und politische Kraft.

Ein jedes der zehn Schiffsmodelle trägt fünf Straußeneier. Die Straußeneier, einst bestaunt als koloniale Trophäen in europäischen Wunderkammern, sind bemalt mit Szenen aus Befreiungskämpfen, in denen Frauen zentrale Akteurinnen waren (etwa die Mujeres Libres des spanischen Bürgerkrieges oder die Kämpferinnen der kurdischen PKK, die jüngst im Zuge der Schlacht um die syrisch-türkische Grenzstadt Kobane zu westlichen Medienikonen stilisiert wurden).
Doujaks hochkomplexe Installation wirft vielfältige Fragen auf: nach der historischen Verschränkung von Herrschaft, Gewalt und Revolte, von Rassismus und Sexismus. Zugleich lotet sie poetische und imaginäre Ressourcen von revolutionärem Widerstand, ja von Widerstand überhaupt aus.

 

Vom 8. Mai bis 28. Juni öffnet in der Ausstellung die Boutique Not Dressed for Conquering. Damit begeben wir uns nun in die versiegelte und geschichtsblinde Welt der Mode, um deren schöne Oberfläche einzuschmutzen: mit Bildern und Texten, die vom Kolonialismus erzählen, von den Geschlechterordnungen und vom Klassenkampf. Das alles auf Stoff gedruckt, selbstverständlich — dem der Mode ureigensten Medium. Gerahmt wird die Präsentation durch Performances, ohne welche das Fashion Business nicht auskommt. Unsere Kollektion spielt mit high und low, sie knüpft sich aber auch die hartnäckige Zuschreibung des Textilen als „weiblich“ und „Kunsthandwerk“ vor. Die Inspiration für den Titel der Arbeit verdankt sich der Ablehnungshaltung einiger Müßiggänger im Lima des 19. Jahrhundert. Zur Rede gestellt auf offener Straße, warum sie denn nicht arbeiten würden, entgegneten sie frech: „Zum Welterobern fehlen uns die passenden Klamotten.“

Not Dressed for Conquering ist Teil einer laufenden, langfristig angelegten Recherche unter dem Titel Loomshuttles/ Warpaths. Gegenstand der Untersuchung ist das komplexe Wechselverhältnis von Stoffen, Kleidung und Kolonialismus im Zeichen der Globalisierung einst und jetzt.

Veranstaltungsprogramm

FOLLOW THE LEADER / „Seguid vuestro jefe“

Eine Installation von Ines Doujak

„Und was, bitte schön, bedeutet ein mit Lammfell überzogenes Schiffsmodell, auf dem ein Hooligan zu sehen ist, der einen afrikanischen Sklaven mimt, nebst einer vermummten Schlafenden, die von Lampions beleuchtet wird, während das Schiff fünf Straußeneier trägt, auf welche Roma-Aktivistinnen gemalt sind?“

Können wir diese Frage beantworten? – Zumindest könnten wir es versuchen, könnten so tun als ob. Schließlich sind wir ein Museum, haben einen Bildungsanspruch und sollten daher in der Lage sein das, was sich in unseren Räumen abspielt, erklären zu können. Doch Kunst hat die fatale Tendenz uns in Gefilde zu transportieren, wenn nicht zu entführen, in denen die Bedeutung, der Anker unseres symbolischen Universums, schwindet. Räume, in denen sich das Andere der Bedeutung zu erkennen gibt. Vielen Reisenden zu Land oder zu Wasser dürfte es so ergangen sein: ab einer bestimmten Grenze verlieren sich die Gewissheiten, weil es nichts Bekanntes mehr gibt, nichts, woran man sich halten kann. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Vergessensrituale, denen sich afrikanische Sklaven noch diesseits der middle passage unterziehen mussten*.

Aus Plexiglas, einem transparenten Medium, hat Doujak zehn etwa meterlange Umrisse von Kriegsschiffen sägen lassen. Die Vorbilder fuhren und fahren im Dienst einstiger und heutiger Kolonialmächte (etwa die „Viribus Unitis“ [1914-30] der österreichisch-ungarischen Marine oder das Torpedoschiff „Spica“ [1973-] der königlich-schwedischen Marine). Im nächsten Schritt wurden diese Schiffssilhouetten beklebt: mit farbigen Fotografien, die hinter dem Glas angebracht sind, wodurch eine Tiefenwirkung entsteht; mit schwarzen Lammfellen, welche die Rückseite dieser Fotos abschließen; und schließlich mit schwarz-weißen Fotografien, die auf dem Glas liegen.
Die Schiffe erhalten dadurch zwei klar unterschiedene Seiten: eine fellige, die sich in reiner Materialität ergeht, und eine bildhaft-figurative. Nicht, dass die Materialität des Fells keine Symbolik kennen würde. Bis ins 18. Jahrundert hinein war es üblich Schiffe durch Tieropfer zu weihen; das blutige Fell wurde an den Bug genagelt. Und nicht, dass die bildhaft-figurative Seite bereits von sich aus dem Erzählerischen, dem Erfassen von Zusammenhängen zuarbeiten würde. Vieles bleibt der Betrachterin dunkel, verborgen, unlesbar – nicht viel anders als es Amasa Delano ergeht, jenem amerikanischen Kapitän in Herman Melvilles Erzählung Benito Cereno (1855), der aus spontaner Hilfsbereitschaft vor der chilenischen Küste ein spanisches Schiff besteigt, ein Schiff, das rätselhafte Manöver vollführt und dessen bizarre Situation an Bord er nicht zu deuten vermag.

Benito Cereno ist eine der Quellen aus denen sich Doujaks Arbeit speist: die Geschichte eines geglückten Sklavenaufstands auf hoher See, in dessen Folge sich die Beziehung von Herr und Knecht umkehrt. Am Leben gelassen werden die Spanier unter ihrem Kapitän Cereno unter der Bedingung, dass sie die Sklaven in den Senegal zurückfahren. Der Sklavenhändler, eigentlich: sein Skelett, ziert den Bug (dort, wo vorher Christoph Kolumbus prangte). Über der Galionsfigur steht geschrieben: „Seguid vuestro jefe“ oder „Folgt Eurem Führer“ – als unmissverständliche Warnung an die Spanier. Bei seinem Besuch an Bord durchschaut Delano das Schauspiel nicht. Um gegenüber dem unerwarteten Gast den Schein zu wahren, wird Cereno von den Sklaven wie eine Autorität behandelt. Insbesondere Babo, der Anführer der Sklaven, weicht in seiner Rolle als Cerenos getreuer Diener nicht von dessen Seite. Cereno aber interpretiert aus einleuchtenden Gründen die ihm zugedachte Rolle mehr schlecht als recht. Er ist keine Autorität, er erscheint impotent, was Delano schwer irritiert.

Der Ausnahmezustand an Bord, den Melvilles Prosa kunstvoll zu evozieren weiß, hat sich im 20. Jahrhundert zu einem gewichtigen Topos des Staatsrechts und der politischen Philosophie entwickelt. Der Begriff beschreibt das Vermögen des staatlichen Souveräns, egal ob totalitär oder demokratisch bestimmt, die Rechtsordnung in bestimmten Fällen außer Kraft zu setzen, wie das beispielsweise die USA in ihrem „Krieg gegen den Terror“ mit der Schaffung des Gefangenenlagers Guantanamó auf Kuba getan haben. In verwandtem Geist hat der Rechtstheoretiker des Nationalsozialismus, Carl Schmitt, nach Ende des „Dritten Reiches“ seine Briefe mit „Benito Cereno“ signiert. Damit wollte er ausdrücken, dass sich die deutsche Geisteselite, und allen voran er selbst, gewissermaßen im Zustand der Geiselhaft unter Hitler befunden hatte. Die perverse Verdrehung, derzufolge ein Sklavenführer mit Hitler in eins gesetzt wird, nahm der Theoretiker des Ausnahmezustands in Kauf.

All diese Verwicklungen und Verweise, und noch viele mehr, sind in Doujaks Installation gegenwärtig. Schlüsselszenen aus „Benito Cereno“ werden auf den Schwarz-Weiß Fotos nachgestellt—von österreichischen Hooligans, die Doujak für diese Aufgabe gecastet hat. Die Szenen, pro Schiff jeweils eine, zeigen unter anderem den Aufstand auf dem Sklavenschiff; die tägliche Prozession der spanischen Mannschaft zur Galionsfigur; die bedrohliche Rasur Cerenos, aber auch den rettenden Sprung Cerenos in Delanos Beiboot – jener Sprung, der dem Ausnahmezustand schließlich ein Ende setzt.

Die farbigen Fotografien, welche die Folie des narrativen Geschehens bilden, sind schwerer zu deuten. Es sind zumeist Nachtaufnahmen von hoher theatralischer Kraft. Einige dieser Bilder unterstreichen den Bühnencharakter des gesamten Geschehens, und geben so dem Spiel der Hooligans eine Art Resonanzraum. Andere rahmen einen Handlunsgraum autonomer Frauen, die Zigarre rauchen oder sich die eigene Brust geben.

Die Straußeneier schließlich, welche die Schiffe als ihre Fracht tragen, sind mit Szenen bemalt und Daten versehen. Doujak hat unterschiedliche Künstlerinnen und Künstler, aber auch Laien den Auftrag erteilt historische Episoden, genauer: Revolten und Kämpfe darzustellen, bei denen Frauen eine Schlüsselrolle zukommt. So hat Clarissa Metternich die Aktion einer Selbstmordattentäterin im tschetschenischen Freiheitskampf festgehalten. Andere Eierfolgen widmen sich Organisationen gegen den Frauenhandel, den Mujeres Libres im spanischen Bürgerkrieg oder den bewaffneten Frauenbrigaden im kurdischen Widerstand.

Doch wie die Positionen auf dem Sklavenschiff hochmobil, mehrfach kodiert und daher tendenziell unlesbar sind, gilt auch von diesen Episoden, dass sich Täterinnen und Opfer in vielen Fällen schwer nur unterscheiden lassen. Tatsächlich hat Doujaks Installation, die sich jeder vereinheitlichenden Betrachtung sperrt, den Ausnahmezustand in ihre Form integriert: sind die Eier dreidimensional, sind die Schiffe flach. Ist das Plexiglas kantig, so ist das Fell weich. Hat die Malereioberfläche eine Haptik, zeigt die fotografische Oberfläche mechanische Glätte. All diese formalen Eigenheiten bedeuten für sich genommen nichts. Dennoch bilden sie die Voraussetzung über alles Bekannte hinauszugehen.

 

* Die berüchtigte „mittlere Überquerung“ war Teil einer komplexen Handelsroute. Im ersten Reiseabschnitt wurden Eisen, Kleider, Schnaps und Schiesspulver von Europa nach Afrika gebracht, wo sie als Zahlungsmittel für Sklaven dienten. Von der westafrikanischen „Sklavenküste“ wurde die menschliche Fracht anschliessend nach Nord- oder Südamerika transportiert, wo sie gegen Zucker, Kaffee, Tabak oder Baumwolle eingetauscht wurde. Mit dieser Ladung fuhr das Schiff im dritten Reiseabschnitt zurück nach Europa.

Not Dressed for Conquering HC 01 – HC 09

Begeben wir uns nun in die versiegelte und geschichtsblinde Welt der Mode, um deren schöne Oberfläche einzuschmutzen: mit Bildern und Texten, die vom Kolonialismus erzählen, von Geschlechterordnungen und vom Klassenkampf. Das alles auf Stoff gedruckt, selbstverständlich — dem der Mode ureigensten Medium. Gerahmt wird die Präsentation durch Performances, ohne welche das Fashion Business nicht auskommt. Unsere Kollektion spielt mit high und low, sie knüpft sich aber auch die hartnäckige Zuschreibung des Textilen als „weiblich“ und „Kunsthandwerk“ vor. Die Inspiration für den Titel der Arbeit verdankt sich der Ablehnungshaltung einiger Müßiggänger im Lima des 19. Jahrhundert. Zur Rede gestellt auf offener Straße, warum sie denn nicht arbeiten würden, entgegneten sie frech: „Zum Welterobern fehlen uns die passenden Klamotten.“

Die Mode hat ihren Ursprung in der Haute Couture. Der Begriff meint buchstäblich „Schneiderei“, also das Zuschneiden und Vernähen von Stoffen. Die Haute Couture bildet den Gegenpol zu nicht-westlicher Kleidung, bei der Stoffe eben nicht zugeschnitten und daher gern als „ethnisch“ oder „primitiv“ abgetan werden.

Die Haute Couture erfüllt noch immer, und äußerst effizient, die Funktion, gesellschaftliche Unterschiede zum Ausdruck zu bringen. Die Mode selbst wiederum ist ein globales Geschäft. Es lebt von der Konfektionsware und den Accessoires, die gleichfalls im Dienst der Markierung sozialer Unterschiede und der Fixierung von Geschlechterrollen stehen. An der globalen Kapitalakkumulation hat dieses Business einen gehörigen Anteil; stets von neuem ist es auf der Pirsch nach noch billigeren Produktionsstandorten. Damals wie heute läßt sich das Schneidern nicht automatisieren.

Unsere Kollektion kennt unterschiedliche thematische Schwerpunkte und Präsentationsformen. Es es Stoffentwürfe, die sich wie Objekte ausstellen lassen, die mit ihren aufgedruckten Schnittmustern aber auch zu Hemden verarbeitet werden können. Accessoires werden konfektioniert und am geeigneten Ort, sprich: in eigens errichteten Boutiquen verkauft. Die Motive werden auch auf andere Medien übertragen und dadurch verstärkt: auf Postern oder Flugblättern, in Performances, Skulptur, Musik oder Film. Diese Medien können ihrerseits ins Zentrum der Kollektion rücken. In manchen Kulturen erscheinen Körperbewegung, Film und Gesang als direkte Übersetzungen textiler Muster, bei denen sich die Farben bekriegen oder wenigstens im Streit miteinander liegen. Vom musikalischen Offbeat getragen, rütteln diese Muster an ihrer Einfassung oder Säumung, die sie als Ausdruck einer Ordnung deuten, die es zu sprengen gilt.

Die verschiedenen Kollektionen speisen sich aus dem gleichen Geist, der einst jene Müßiggänger in Lima dazu motivierte, keine passenden Klamotten für die Welteroberung zu tragen, und der heutzutage PlündererInnen und KrawallmacherInnen — diesen veritablen Flashmob — beseelt.

 

FERTIG ZUR AUSLIEFERUNG

HC 01 FIRES (Hemden) Der Krieg gegen die Armen oder NäherInnen schuften eingeschlossen in Fabriken mit notorisch überlasteten Stromkreisen unter Todesgefahr, oder zumindest der Gefahr grauenhafter Brandverletzungen, um erbarmunglos knapp kalkulierten Aufträgen nachzukommen.

HC 02 DIRTY SECRETS (Hüte, Schals) Die Tradition bekommt gute Noten, so sie dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dient, schlechte allerdings, wenn sie Rezepte zur Überwindung des Status Quo bereithält. Inmitten des scharf geschnittenen Schwarzen Quadrats verbirgt sich das dreckige Geheimnis von tausend Jahren Stoffmuster.

HC 03 CARNIVAL (Stoff) Die Stimme des Herrn gerät in Stocken, sobald herrenlose Stimmen in der Finsternis ein unversöhnliches Freudengeheul anstimmen.

HC 04 TRANSPORT (Handtaschen, Halskette) Die Lieferketten des verschlankten Einzelhandels laufen über Rädchen, wie geschmiert von Strichcodes, automatisierten Kränen, beschilderten Containern und Riesenschiffen. Doch noch immer bedarf es menschlicher LastträgerInnen.

HC 05 APES (Turnschuh) Nachdem Mann und Frau das Paradies verschlossen war, rührte sich der Affe nicht von der Stelle. In Gefangenschaft muss der faule Lump für sein Essen malochen und fragt sich: Warum bloß sind die Dinge wie sie sind?

 

DEMNÄCHST

HC 06 THE DEVIL (Anzug, Zelt) Der Teufel eröffnet eine Abendschule, um hier das Geheimnis von Erfolg und Misserfolg zu lehren. Zum Curriculum zählt der Einsatz von Drogen im Krieg, der Krieg gegen die Drogen, die Drogen als Krieg und der Drogenkrieg.

HC 07 NAKEDNESS (Unterwäsche) Die Wilden waren schamlos; die Kaiser trugen feinstes Tuch.

HC 08 TRADE (Mantel) Stolz weht die Fahne des Freihandels, so will es die alte Mär. Und das in einer Welt geistiger Eigentumsrechte, Quoten, Sanktionen, bilateraler Verträge und komparativer Nachteile.

HC 09 WOMEN (Stiefel, Parfum) Zur Fügsamkeit angehalten, tauchen die Widerspenstigen dieser Welt an der Frontlinie des Kampfes für das Existenzminimum und die ArbeiterInnenrechte auf.

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